Die Shoa-Bildungsfahrt der MLS nach Krakau und Auschwitz 2025

Tod und Lebendigkeit. Trauer und Tanz. Mit diesen Kontrasten war unsere Fahrgemeinschaft, eine Gruppe, die sich aus Schülern der dreizehnten Klassen der Martin-Luther-Schule, der Elisabethschule und des Philippinums, mitfahrenden Lehrkräften und Betreuern zusammensetzte, eine Woche lang in Krakau und der Gedenkstätte Auschwitz permanent konfrontiert.
Die von Erich Schumacher, freier Journalist, und Arne Erdmann, Lehrkraft an der MLS, und der AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ der MLS geplante Fahrt orientierte sich grundsätzlich an der Tradition I SEE e.v. Mitfinanziert wurde die Bildungsfahrt von der Landeszentrale für politische Bildung, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Marburg e.v. und EMS, dem
Förderverein der MLS. Herzlichen Dank!

Allen Mitfahrenden war im Voraus bewusst, dass es eine emotionale Erfahrung werden würde. “Egal, wie man sich vorbereitet, es ist trotzdem ein Schock”, war im Nachhinein eine Aussage einer Schülerin. Der Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz löste in jeder Person völlig individuelle Gefühle aus und dennoch bestand ein Konsens: Die Dimension des von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechens gegen Millionen Menschen ist unfassbar. Wir liefen einer Führung folgend über das nicht enden wollende Gelände des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, erfuhren ständig Neues darüber, was dort geschehen ist. Die Frage danach, wie so etwas möglich war, wie Menschen so etwas angetan werden konnte, hörte nicht auf zu wachsen. Es gibt Momente, in denen jedes Wort gegenüber dem Geschehenen bedeutungslos erscheint.
Solche Momente waren die Schweigeminuten und der Moment des Erblickens des “Buchs der Namen”. In diesem, von der internationalen Gedenkstätte Yad Vashem erarbeiteten Buch stehen die Namen von Millionen durch die Shoa ermordeten Jüdinnen und Juden. Es füllt im Stammlager Auschwitz einen ganzen Raum. Der Tag in der Gedenkstätte endete mit einer von Trauer überschatteten Busfahrt und einem Bedürfnis. Dem Bedürfnis, die erlebten Erfahrungen zu teilen und daran zu erinnern, was dort geschehen ist.
Neben dem Besuch in der Gedenkstätte standen auch ein Besuch des Schindlermuseums, einem Museum, das an das Leben der von den Nazis unterdrückten jüdischen Bevölkerung im Krakauer Ghetto erinnert und eine Führung durch den jüdischen Stadtteil Kazimierz auf dem Programm. Dieses Wahrnehmen des heutigen jüdischen Lebens in Krakau steht in völligem Kontrast zu dem in der Gedenkstätte Erlebten. Das Viertel strotzt von Leben, an jeder Ecke gibt es eine jüdische Gaststätte und überall ist erlebbar, dass die jüdische Gemeinschaft völlig lebendig ist.
Genau diese Lebendigkeit spiegelt die ganze Stadt. Eine Lebendigkeit, die Menschen für sich vereinnahmt und uns am letzten Abend gemeinsam tanzend das Leben feiern ließ. Und das schafft Hoffnung und hat uns gezeigt, wofür man sich einsetzen und kämpfen sollte. Dafür, dass nie wieder eine solche Gräueltat begangen wird; dass nie wieder Menschen der ihnen inhärente Wert abgesprochen wird; dass nie wieder Menschenfeinde Personen ihr Recht auf ein Leben in Würde rauben. Es gilt also, sich zu erinnern. Das fortzuführen, was Margot Friedländer ihr Leben lang hochhielt und anmahnte. “Seid Menschen”.

Die Fahrt hat uns bewusst gemacht, was es bedeutet, ein in Freiheit und Sicherheit lebender Mensch zu sein und welche Verantwortung damit einhergeht.

Justus Hohbein, MLS
Was wir gelernt haben

Am Mittwoch, dem 26.3. haben die Schüler im Jüdischen Museum in Krakau ihre Gedanken und Gefühle zum Besuch der Gedenkstätte Auschwitz und des Schindlermuseums in einem Schreibgespräch festgehalten. Dies sind Zitate aus dem Gespräch:

„Aus der Erfahrung in der Gedenkstätte Auschwitz ziehe ich diese Schlüsse für die Zukunft“: 

„Anderen Menschen Respekt entgegenzubringen, obwohl es manchmal schwer ist, das ist Stärke, sich über jemanden zu stellen, aus welchen Gründen auch immer, das ist nicht stark, sondern leicht.“
„Die Demütigung, die die Menschen durch die Nazis erlebt haben, ist unbegreiflich. In Auschwitz gab es kein Leben. Es gab nur eine Hölle und den Tod.“
„All das, was wir gesehen haben, war so schwer zu begreifen. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass jedes dieser Opfer eine ganz eigene Geschichte hat. Jeder hatte eigene Ziele und Wünsche. Es waren alles Menschen, wie Du und ich. Es liegt nicht in meiner Vorstellung zu begreifen, was all diesen Menschen passiert ist. (…)“
„Mir ist hier nochmal klarer geworden, wie wichtig es ist, für immer gegen Faschismus und rechte Ideologien (Nazis) zu kämpfen und sich nicht entmutigen zu lassen. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen und wir können alle mit unserer Stimme und dem Wissen / den Erfahrungen, die wir in uns tragen, dagegen vorgehen, also seid laut!“

„Das will ich Anderen über Auschwitz und das Schindlermuseum erzählen:“ „Bringt einen Stuhl mit.“ „Bringt ein offenes Herz mit.“
„irgendwie die Absurdität des Ganzen. Dieses gigantische Ausmaß, was man noch nicht mal begreift, wenn man da gewesen war.“

„Diese Verbindung sehe ich zwischen damals und heute“:

„Arroganz und Herunterblicken, trotz der Zufälligkeit des eigenen Schicksals“ „In Momenten der wirtschaftlichen Krise gibt es wieder einen Rückfall in eine Feindschaft zwischen „Volk“ und „Fremden“ „Dass man nicht nachvollziehen kann, dass sich rechtes, faschistisches
Gedankengut so schnell verbreitet.“ „Ja, und dass solches Gedankengut so verharmlost wird.“ „Menschen sind extrem anfällig für Propaganda und diese verändert deren Realität in so einem Ausmaß, dass unmenschlich gehandelt wird bzw. ganz schreckliche Denkprozesse in Gang gesetzt werden. Unwissend zu sein ist unfassbar gefährlich.“ „Menschen lernen scheinbar nicht aus der Vergangenheit.“ „Ich denke schon, dass wir aus der Vergangenheit lernen. Es ist nur die Frage, was wir mit diesen Informationen tun und wie wir weitermachen. An dieser Stelle versagt nur leider unser Bildungssystem.“ „Aufklärung sollte eine viel größere Rolle im Bildungssystem spielen.“ „Ja und der Fokus auf geschichtliche und politische Bildung sollte größer werden.“ „Wir lernen schon, wenn wir die Dinge selbst erleben. Das Problem ist nur, dass das alles für viele zu abstrakt und zu weit weg zu sein scheint.“ „ (…) Deswegen sind solche Bildungserfahrungen auch so wichtig. (…)“

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