Lehrer der Martin-Luther-Schule erhält Auszeichnung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung

You-Tuber und Mathematiklehrer, das muss heutzutage kein Widerspruch mehr sein. Mit seinen selbst erstellten Erklär-Videos und deren mehr als 12.000 Aufrufen und dem Unterrichtskonzept “flipped classroom” hat Herr Dr. Soll bundesweit Aufmerksamkeit erregt und erhielt die Auszeichnung „Mathemacher der Monate August/September“.

Soll dreht mit dem Konzept den viel gescholtenen Matheunterricht in Deutschland auf links. Flipped Classroom (inverted Classroom) ist ein Lehr- beziehungsweise Lernkonzept, bei dem die zwei Säulen des Unterrichtes – die Stoffvermittlung und die zugehörigen Übungen – vertauscht werden: Die Schülerinnen und Schüler eignen sich dabei die Lerninhalte, häufig in Form von Lernvideos, selbstständig zu Hause an, die Zeit in der Schule hingegen wird genutzt, um den Stoff zu üben. Die Lehrkraft fungiert dabei eher als Coach, der den individuellen Lernprozess begleitet.

In Deutschland stieß flipped classroom bislang auf überschaubare Nachahmung; zwar wird es an Universitäten und Fachhochschulen zunehmend erprobt, an deutschen Schulen allerdings sind Lehrerinnen und Lehrer, die dazu bereit sind, ihr Klassenzimmer auf den Kopf zu stellen, rar gesät.

Soll behandelt zahlreiche schulmathematische Themen wie lineare Gleichungssysteme, den Satz des Pythagoras oder quadratische Funktionen. Die Videos sind frei zugänglich und bieten eine Fülle von selbst erstellten Animationen und anschaulichen Beispielen. Er ist der Meinung, dass sich die Lehrwerke als zentrales Element des Unterrichts seitens der Verlage durch zu wenig Innovation hervortun. „Ich träume von einem Online-Lehrbuch auf der Basis von Wikipedia, an dem alle interessierten Lehrer mitschreiben können, in das Geogebra und Tabellenkalkulationsprogramme integriert sind. Die technischen Voraussetzungen sind schon

lange gegeben, die rechtlichen werden wohl noch Jahre auf sich warten lassen“ konstatiert er im Interview mit der Deutschen Mathematiker Vereinigung.

Den Vorteil des flipped classroom sieht Soll in der optimalen Nutzung der gemeinsamen Zeit: Leere Unterrichtszeiten, die zum An-/Abschreiben der Tafel gebraucht wurden, werden in die Hausaufgaben verlagert: Die Schüler schauen die Erklärungen zuhause als Video so oft sie mögen, halten diese im Regelheft fest und notieren sich ggf. Fragen. Erkrankte Schüler können den Lerninhalt leicht nachholen. Im Unterricht werden Aufgaben gemeinsam gerechnet, das Lösungsbuch liegt für Eigenkorrekturen stets bereit, er selbst stehe für individuelle Hilfen zur Verfügung.

„Der Unterricht rieselt nicht mehr als Einheitsregen auf die Schüler nieder, der Lernerfolg hängt nun stärker an der Eigeninitiative. Das Formulieren von Unklarheiten muss erlernt werden, auch ein reifer Umgang mit dem Lösungsbuch. Bis dies bei den Schülern ankommt, kann bei einigen eine gewisse Zeit vergehen, die nicht immer als angenehm empfunden wird.“ Die erworbene Selbständigkeit, so hofft Soll, zahlt sich spätestens beim Übergang zur Oberstufe und Universität aus.

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